Gewaltfreie Kommunikation
Der österreichische Arzt und Psychotherapeut Alfred Adler behauptet u.a., dass alle menschliche Probleme Beziehungsprobleme seien. Und da bei zwischenmenschlichen Themen stets die Kommunikation am Wichtigsten ist, möchte ich Dir heute von der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg berichten.
Marshall B. Rosenberg war ein US-amerikanischer Psychologe. Er ist 1934 geboren und 2015 gestorben. Er entwickelte das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), welche heute nicht nur eine sehr bekannte und erprobte Methode ist, sondern zu einer regelrechten weltweiten Bewegung wurde. Gewaltfreie Kommunikation ist keine Wissenschaft oder Lehre, sondern eine Einstellung. Das Ziel von Marshall Rosenberg war es, ein Handlungskonzept zu entwickeln, welches zwischenmenschliche Kommunikation zu mehr Vertrauen und Freude im Leben führt.
Der promovierte Psychologe bediente sich der Tierwelt als Namenspatron für seine beiden Kommunikationsstile. Dabei unterscheidet er zwischen der Giraffensprache und der Wolfssprache. Die Giraffe ist das Landtier mit dem größten Herzen, weswegen er die Giraffensprache auch als „Sprache des Herzens“ bezeichnet. Charakteristisch für die Giraffensprache ist die lebensbejahende Grundeinstellung, die Beziehungen schafft, Bedürfnisse reflektiert und auf Emotionen (eigene und andere) achtet.
Die Wolfssprache hingegen gilt als „Herrschaftssprache„. Sie ist laut Rosenberg die Quelle für Gewalt, da sie in der Schuldfrage verhaftet ist und von Manipulation, Kritik und Strafe bestimmt wird.
Gewaltfreie Kommunikation gliedert sich in vier grundsätzliche Schritte: Beobachtung, Gefühl, Bedürfnis und Bitte.
Inhalt
Beobachtung
Der Beobachtung steht häufig die Interpretation gegenüber. Wir sind meistens sehr schnell damit aus der Beobachtung raus zu gehen und direkt zu interpretieren. Rosenberg rät davon ab und möchte uns einladen mehr zu beobachten und weniger zu interpretieren. Es geht vielmehr darum, eine ganz konkrete Handlung anzusprechen. Ohne zu interpretieren oder zu diagnostizieren. Diese Beobachtung sollte wertfrei kommuniziert werden.
Anstatt zu sagen: „Mann, du räumst nie die Spülmaschine aus!“ wäre ein „Du hast die Spülmaschine nicht ausgeräumt“ ein Beispiel dafür, eine reine, uminterpretierte Beobachtung mitzuteilen.
Gefühl
Die Gefühle, die die zuvor festgestellte Beobachtung mit sich bringt bzw. auslöst, sollten geäußert werden. Um beim Beispiel zu bleiben, könnte das Gefühl vielleicht sein, dass Du Dich nicht genug geschätzt fühlst, weil Du vielleicht häufiger die Spülmaschine ausräumst. Womöglich sorgt eine unaufgeräumte Spülmaschine auch für ein Unwohlsein oder Du fühlst Dich in Deiner Entscheidungsgewalt oder Autorität verletzt.
Es gibt eine Unmenge von Gefühlen, die dazu führen können, dass Du eine Beobachtung teilen möchtest. Aber es ist auch wichtig, dass es zahlreiche „Nicht-Gefühle“ gibt. Die GFK unterscheidet grundsätzlich zwischen
- Echten Gefühlen, wenn Bedürfnisse erfüllt sind
- Echten Gefühlen, wenn Bedürfnisse nicht erfüllt sind
- Unechte Gefühle (mentale/pseudo Gefühle)
Klingt vielleicht ein wenig kompliziert, ist es am Ende aber gar nicht, wenn Du Dich darauf fokussiert, wo z. B. ein Gefühl auftaucht oder wie es sich genau anfühlt.
„Ich fühle mich betrogen“ – Betrogen ist kein Gefühl, sondern eine Bewertung.
„Ich habe das Gefühl, dass ich das nicht schaffe“ – auch das ist kein Gefühl, sondern ein weiterführender Gedanke z. B. zu dem Gefühl „bedrückt“.
Deine Gefühle folgen häufig unterschiedlichen Gründen und Motivationen bzw. Bedürfnissen. Diese Gefühle sollten geäußert werden, da nur so Dein gegenüber die zugrundeliegenden Bedürfnisse verstehen und ernst nehmen kann.
Bedürfnisse
Benenne klar das Bedürfnis oder den Wunsch, welcher hinter Deinen Gefühlen steckt. Vor allem dann, wenn es sich um negative Gefühle handelt, die Dich vielleicht belasten. Es ist hier entscheidend, dass Du die Bedürfnisse erkennst und verstehst, die den Gefühlen zu Grunde liegen.
Bedürfnisse können z. B. sein: Achtsamkeit, Anerkennung, Ehrlichkeit, Freiheit, Liebe, Spaß, Verständnis, etc.
In unserem Beispiel könnte das Bedürfnis also sein: „Ich möchte mehr Ordnung in unserer Wohnung“.
Bitte
Aus dem Bedürfnis geht eine Bitte um eine konkrete Handlung im Hier und Jetzt hervor. Hier unterscheidet Rosenberg zwischen Bitten und Wünschen. Eine Bitte kann im Hier und Jetzt erfüllt werden. Wünsche sind vager und beziehen sich meistens auf die Zukunft oder auf Zustände. Bitten sind leichter zu erfüllen und haben daher mehr Chancen auf Erfolg. Eine Bitte sollte positiv formuliert werden, also klar äußern, was Du möchtest, nicht, was du nicht möchtest.
„Würdest du bitte häufiger die Spülmaschine ausräumen?“
Fazit
Rosenberg fasst die vier Schritte der FK in einem Satz zusammen:
Wenn ich a sehe, dann fühle ich b, weil ich c brauche. Deshalb möchte ich jetzt gerne d.“
a … Beobachtung; b … Gefühl; c … Bedürfnis; d … Bitte
Ich persönlich finde die GFK einen sehr guten Ansatz, sehe darin aber auch einige Schwierigkeiten. Es ist meiner bescheidenen Meinung nach relativ schwer zu beobachten ohne zu interpretieren. Es ist sehr schwer, die eigenen Bedürfnisse zu erkennen und dann auch noch zu formulieren. Meiner Meinung nach ist dafür ein erhebliches Maß an Selbstreflexion aber auch Empathie notwendig.
Sind diese Hürden überwunden, kann Rosenbergs Modell vermutlich tatsächlich dazu beitragen „eine wertschätzende Beziehung zu entwickeln, die mehr Kooperation und gemeinsame Kreativität im Zusammenleben ermöglicht“.
Hast Du schon einmal von Rosenberg und seiner GFK gehört? Wie findest Du sein Modell? Was sind Deine Erfahrungen dazu?